Gestern Abend, so mein Ehemann, habe er nachgedacht und frage sich nun, ob man tatsächlich nur als Pferdeflüsterer Pferde wirklich verstehen könne. Es müsse doch möglich sein auch ohne Magie den Charakter eines Pferdes zu erkennen und damit umzugehen. Und darüber solle nun ich, seine Ehefrau, doch einmal nachdenken.
Kein Problem dachte ich, denn in keinem Stall gleicht ein Pferd dem anderen und für jedes gibt es (hoffentlich) einen passenden Menschen. Unterschiedlich ausgeprägt stehen in den Boxen unter anderem:
Das IchhabeimmerschlechtelaunePferd
Es nimmt jede Gelegenheit wahr seine Ohren so weit anzulegen, dass man glaubt sie wären verschwunden. Alles auf zwei – oder auch mehr – Beinen wird mit unfreundlich gebleckten Zähnen begrüßt. Rund um das Heu und die Kraftfutterraufe fliegen die Hufe besonders schnell und das Hinterteil kann überraschen wendig sein.
Anforderungen an den Besitzer: Gut gepolsterte Kleidung und schnelle Reflexe und immer Salbe und Pflaster im Stall.
Das IchmagschrillegeräuschePferd
Meist eine Stute, die immer wieder mit einer anderen Schnüffelkontakt aufnimmt, dann ein schrilles Quietschen aussendet und mit einem Vorderbein nach vorne austritt. Wer zuerst quietscht, gewinnt.
Anforderungen an den Besitzer: Keine Angst vor durchdringenden, plötzlichen Geräuschen. Kein Pferd für jemanden mit einer nervösen Disposition.
Das DieweltistgefährlichPferd
Meist ein temperamentvolles Pferd, das nach Belieben entscheidet, was gerade schrecklich ist. Heute der Schatten eines Baumes, morgen der eigene Wassereimer, übermorgen der altbekannte Traktor. Nichts und niemand kann es überzeugen, dass diese Dinge nicht tödlich sind.
Anforderungen an den Besitzer: Jeans, die am Sattel kleben, starke Beine und ein Besitzer, der spannende Herausforderungen liebt und an ihnen wächst.
Das IchkannüberallhinPferd
Egal wie sicher die Weide eingezäunt oder die Box verschlossen ist, es findet immer einen Weg nach draußen. Knoten sind für sie Kinderspiel Es sind die Genies der Pferdewelt, die gerne zeigen dass auch der größte Riegel sie nicht aufhalten kann. Und es sind genau die Pferde, die im Trail ein Cavaletti verweigern, aber locker über einen 1.50m Zaun springen.
Anforderungen an den Besitzer: Ein Hof und eine Weide wie ein Hochsicherheitsgefängnis. Eine gute Versicherung hilft auch.
Das IchfühlewasdukannstPferd
Diese Pferde beurteilen die Fähigkeiten ihres Reiters in dem Moment in dem er den Sattel berührt. Jeder Reiter, der sich nicht ebenso gefühlvoll durchsetzen möchte, muss mit dem vollen Programm rechnen. Buckeln, scheuen, Kopfschlagen, steigen. Alles ist möglich, um den Reiter zum Absteigen zu bewegen. Und wieder hat das Pferd einen Tag frei.
Anforderungen an den Besitzer: Ein erfahrener Reiter, der sich nicht nicht tränenreich seinem Schicksal unterwirft.
Das FangmichdochPferd
Sobald dieses Pferd seinen Besitzer zur Weide kommen sieht, galoppiert es freudig davon, ganz nach hinten selbstverständlich. Es kennt alle Fangtechniken, lässt sich nicht durch Leckerli bestechen oder durch Tricks täuschen.
Anforderungen an den Besitzer: Einfallsreichtum und viel Sinn für Humor. Beides braucht man, wenn man nach einer Stunde noch immer keinen Erfolg hat, aber jede Menge Zuschauer am Weidezaun.
Mit Geduld, Einfühlungsvermögen und der richtigen Selbsteinschätzung findet wohl jeder Reiter das passende Gegenstück. Und wie in jeder anderen Beziehung möchte man mit dem perfekten Partner dann durch dick und dünn gehen. Und das so mein Ehemann, habe er eigentlich nur hören wollen.