Gestern Abend, so mein Ehemann, habe er nachgedacht und glaube nun, dass ich, trotz Erkältung, doch großes Glück habe ein Lieblingspferd zu besitzen. Raus in den Stall, füttern, misten und ein bisschen Reiten, wären jetzt genau das Richtige. Frische Luft sei schließlich bei einer Erkältung sehr förderlich für den Genesungsprozess. Er dagegen huste, habe ein Kratzen im Hals, Schnupfen und gefühlt mindestens 40 Grad Fieber. Studierte Mediziner mögen bei dieser Thematik von einer harmlosen Erkältung sprechen. Er aber leide zutiefst, sei krank. Ohne wenn und aber. Und darüber solle nun ich seine Ehefrau, doch auch einmal nachdenken.
Kein Problem dachte ich, denn wer mit wirklichem Fieber, triefender Nase, Kopfschmerzen und allem was sonst dazu gehört, unverdrossen das Lieblingspferd versorgt, der braucht kein Mitleid, der braucht höchstens frische Luft. Und wenn man dann schon unterwegs ist, kann man aus der Apotheke noch Hustensaft und Pillen mitbringen – meint der Ehemann und wartet ungeduldig auf die Rückkehr der reitenden Ehefrau. Wo bleibt sie nur? Er hat noch nicht einmal die Zeitung gelesen, die liegt in der Küche und da ist es viel zu kalt für einen Grippemann. Aber er hat ein Telefon. Ein Telefon am Bett des Patienten zieht nicht nur den Krankheitsverlauf in die Länge. Es sorgt auch dafür, dass die Umwelt nie ohne Beschäftigung bleibt.
Ach ja, ein Grog würde sicherlich helfen, leider ist kein Rum da. Auf dem Rückweg vom Stall könne man ja vielleicht noch etwas besorgen. Und eine Gemüsesuppe soll ja auch sehr gut tun. Und eine Cola wäre gut, gerade jetzt. Und gegen die Langeweile eine Autozeitschrift. Man sei ja schließlich an der frischen Luft gewesen und alle Symptome der leichten Erkältung sicher schon verflogen. Es ist schon erstaunlich, wie der gleiche Virus die Geschlechter so ganz unterschiedlich heimsucht. Männer fallen reihenweise um, meist auf das Sofa vor dem Fernseher und schaffen es mit letzter Kraft die Fernbedienung einsetzen. Schnee schippen, mit dem Hund Gassi gehen, Einkaufen, überhaupt den Alltag erledigen – zu gefährlich für einen erkälteten Mann! Frauen dagegen managen weiterhin tapfer Haushalt, Pferde und Beruf.
Die Behandlung männlicher Erkältungsopfer erfordere eben viel Geduld, Einfühlungsvermögen, Mitgefühl, Verständnis und pflegerische Kenntnis, so der kranke Ehemann. Und nach dem Vergnügen des Reitens könne ich, seine Ehefrau, doch nun auch ihn ein bisschen verwöhnen und versorgen. Ich, die robuste Ehefrau, bin natürlich nicht geritten. Wie auch? Im Fieberwahn? Geschüttelt von Hustenattacken? Mit Schmerzen in Kopf und Muskeln? Müde und abgeschlagen? Ich danke aber meinem Lieblingspferd, dass es mir die Möglichkeit gibt familiäre Krankenstationen für einige Stunden am Tag zu verlassen. Und tatsächlich tut die frische Luft gut. Und überhaupt die Freunde im Stall meinen, das wäre überhaupt der am meisten unterschätzte Ansteckungsweg: das Nachdenken über die Grippe. Sie könnten recht haben.
Und jetzt, so meine Ehemann, wolle er eigentlich zu Grippe und Erkältung und Männer nichts mehr hören – wenigstens nicht solange er selbst noch von Erkältungen besonders schwer betroffen sei.