Hätten Pferde die Wahl, würden sie sich für Wiese und Weide den Freundesverband selbst zusammenstellen. Im Idealfall fänden sich dann ein Hengst, zwei Stuten mit Fohlen und einige eijährige und zweijährige Kumpel zusammen. Jeder Pferdebesitzer aber weiß, dass dieser Wunsch in der modernen Pferdewelt nicht erfüllt werden kann, aber kaum jemand weiß, dass feste Beziehungen zwischen erwachsenen Tieren, viele Jahre, und oft sogar ein Leben lang halten. Freundschaften, das beweisen Studien, sind für Pferde sehr wichtig und doch muss sich das moderne Pferd immer wieder neuen Artgenossen und Herden anpassen.
Geduld und Fingerspitzengefühl sind deshalb gefragt, um eine harmonische Pferde-Zusammenführung ohne Stress und Verletzungen zu ermöglichen. Bestehende Pferdeherden haben eine eingespielte Rangordnung, ein neues Pferd bringt Unruhe in das Gefüge. Der Neuzugang muss seinen Platz in der Herde finden, sich bei den anderen Pferden behaupten und zeigen, dass er keine Bedrohung ist. Die bestehende Gruppe muss die Rangordnung neu festlegen. Das alles bedeutet psychischen und physischen Stress für alle Beteiligten. Nicht selten wird dem Neuzugang dabei schwer zugesetzt, es kommt zu Keilereien – Verletzungen sind oft die Folge. Darum ist eine sanfte Eingliederung eines neuen Pferdes in eine Herde wichtig.
Geduld, Zeit und Gelassenheit
Die Eingewöhnung auf der Wiese sollte für das neue Pferd zunächst schon im Stall beginnen. Es hat meist einen längeren Transport hinter sich, will sich an seine neue Umgebung gewöhnen, mit den neuen Eindrücken und Geräuschen vertraut werden, um sich sicher zu fühlen. Wenigstens ein weiteres, möglichst gelassenes Pferd sollte räumlich getrennt, aber mit Sichtkontakt, bei ihm sein. Pferde brauchen Sozialkontakte, um sich sicher zu fühlen. Wenn die gesamte Herde im Stall ist, ist es noch besser. So können sich alle in Ruhe kennen lernen, getrennt durch die Boxenwände.
Steht ein Round Pen zur Verfügung bietet sich gemeinsame Arbeit an, ebenfalls mit einem erfahrenen ruhigen Pferd. Die Pferde müssen sich dabei auf den Menschen konzentrieren und das was von ihnen verlangt wird. Sie haben keine Zeit für Rangeleien oder gar Rangkämpfe und werden doch vertrauter miteinander. Der Mensch wiederum hat Gelegenheit den Neuzugang und seinen Charakter besser kennenzulernen.
Wenn möglich sollte für den ersten Weidegang für den Neuling ein Wiesenpaddock auf der gleichen Weide abgesteckt werden, noch besser wäre natürlich eine direkt angrenzende größere Weide. So ist er geschützt vor den anderen Pferden, kann aber Kontakt aufnehmen. Die Abgrenzung muss in jedem Fall hoch genug sein, damit kein Pferd darüber springen kann, aber auch tief genug, damit es sich nicht unten durch schieben kann.
Beim ersten Beschnuppern kann es dennoch heftig zugehen. Vielleicht quietschen einige Pferde laut, laufen aufgeregt hin und her oder stampfen mit den Vorderhufen auf. Für den Pferdehalter heißt es Ruhe bewahren, Gelassenheit ausstrahlen und erst eingreifen, wenn ernsthafte Verletzungsgefahr besteht
Wenn alles ruhig ist und sich die erste Aufregung gelegt hat, wird ein freundliches Pferd aus der Herde dem neuen Pferd zur Seite gestellt. Wann dafür der richtige Zeitpunkt ist, hängt individuell von den Pferden ab. Das kann schon nach einem Tag sein, es kann aber auch einige Tage dauern. Wer seine Pferde beobachtet und ein bisschen Feingefühl besitzt, findet schnell heraus, wann es soweit ist. Wenn die beiden sich aneinander gewöhnt haben, wird nach und nach ein weiteres Pferd dazu gestellt. Auch hier ist die Geschwindigkeit der Zusammenführung individuell von den Pferden abhängig. Bei kleineren Herden kann so die gesamte Gruppe zusammen geführt werden. In einer großen Herde kann ein kleiner Teil der Herde mit dem neuen Pferd verbunden werden, der später in den Rest der Herde integriert wird. In der ersten Zeit wird das neue Pferd nachts noch aus der Herde heraus genommen, damit es zur Ruhe kommen kann und nicht unbeaufsichtigt ist.
Bei der Zusammenführung der Pferde, einzeln oder mehrere, sollten die Tiere nicht unbeaufsichtigt sein, damit bei Problemen schnell eingegriffen werden kann. Auch wenn alles friedlich scheint. Manchmal ist das die Ruhe vor dem Sturm. Erst, wenn die ersten Kontakte stattgefunden haben und die Pferde länger friedlich miteinander umgehen, können sie sich selbst überlassen werden.
Wenn’s schief geht
Selbst wenn das neue Pferd von der Herde akzeptiert wird, braucht es seine Zeit, bis es seinen festen Platz in der Herde gefunden hat. Das ist Abhängig von Charakter und Erfahrung des Pferdes. Wenn der Neuling nach der Eingliederung in die Herde weiter gejagt oder von den anderen Pferden traktiert wird, muss er wieder aus der Gruppe heraus genommen werden. Dann war die Eingewöhnungszeit vielleicht zu kurz. Die Zusammenführung beginnt dann wieder von vorne, mit etwas mehr Zeit.
Ein krankes oder verletztes Pferd sollte nicht neu in eine Herde integriert werden. Ihr Instinkt sagt den Pferden schwache Herdenmitglieder zu verstoßen, um zu überleben. Nur ein gesundes Pferd kann einen Platz in der Herde finden.
Eine sanfte Integration mag vielleicht im ersten Anschein aufwändig sein, ermöglicht, auf lange Sicht den Pferden aber entspannte, notwendige Sozialkontakte. Und nicht zuletzt: Eine einträchtige Herde auf der Weide ist nicht nur ein schönes Bild, sondern auch ein Zeichen von zufriedenen Pferden.